Mit dem hohen Norden kam Schwaar kurz nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals in Kontakt. Er gehörte zu den ersten Schweizern, die 1950 in Schweden und 1956 Finnland an einem Orientierungslauf teilnahmen. Ausser den sportlichen Erlebnissen bewogen ihn Werke des Nordnorwegers Knut Hamsun, 1982 nach Lappland zu ziehen. «Glücklichen Umständen verdanke ich es, seit fünf Jahren einen guten Teil des Jahres in der abgelegenen Samensiedlung Näkkälä verbringen zu können», schrieb er im Sommer 1990. Bis zu seinem Tod am 3. Februar 2014 verbrachte er den grössten Teil der Zeit im Norden Finnlands.
“Es grenzt für mich an menschliches Wunder, dass Hans Ulrich Schwaar hier von samischen Leuten so gut und so lange aufgenommen worden ist, denn diese Ausnahme scheint mir die Regel zu bestätigen, die ich hier mit jeder Deutlichkeit zu spüren meine: Die Integration eines Fremden ist hier in aller Regel gerade nicht möglich. Man kann auch hier nur wieder einmal mehr sagen: les extrèmes se touchent. Als extrem seltene Ausnahme war das vielleicht für einmal möglich.
Ich glaube, einen Fall Hans Ulrich Schwaar kann es nur einmal geben, er ist nie mehr wiederholbar hier, man kann nur noch auf seinen Spuren wandeln, wie ich das gerade jetzt selber tue.”
Zitat aus: der Sprung ins Samenland
Dr. Niklaus Gaschen, Bern
Foto: Peter Ramseier
Sonntag 8.9.2009
Eine feierliche Stille liegt seit heute Morgen über den Weiten der tief verschneiten Tundra von Näkkälä. Durch das grosse Fenster meiner Behausung schweift mein Blick vom lichten
Birkengehölz hinunter zum eisbedeckten Näkkäläjärvi und dann zu den langgezogenen Hügelzügen lappländischer Tunturi. Kein Windhauch stört die Stille, kein Vogelgesang, kein Hundegebell. Eine
dicke Wolkendecke lässt nur schwaches Dämmerlicht durchdringen und erlaubt der unter ihr liegenden Natur weiterhin den Winterschlaf. Seit drei Tagen lebe ich hier ohne jeglichen menschlichen
Kontakt. Die männliche Bevölkerung obliegt ihrer vornehmsten Aufgabe, der Betreuung von Rentieren. Dutzende von Kilometern von hier entfernt gilt es, sie vor der Blutgier der vom Winterschlaf
erwachten Vielfrasse sowie vor raublustigen Wölfen zu schützen, aber auch, sie zu unter dem Schnee verborgenen Plätzen mit Rentiermoos zu führen. Frauen liegen häuslichen Pflichten ob oder
erholen sich durch Schlaf nach nächtlichen Hütediensten in Spitälern und Heimen.
Über Stunden zieht sich die Ruhe dahin, eine Stille, die man nicht zu stören wagt; eine Zeit in der nichts geschieht, in der man auch umsonst nach Worten sucht, sie zu beschreiben. Man kann sie nur im Bewusstsein eines Vorrechts dankbar annehmen und geniessen; beglückt, der Einzigartigkeit eines solchen Naturgeschehens teilhaftig zu werden.
H.U. Schwaar: Aus Schnee und Eis
Aufzeichnungen aus Lappland, Februar bis April 2009
Kurzvideo zu Hans Ulrich Schwaars Rückkehr nach Näkkälä 2013